Kolibri Heute 2024 - Flipbook - Seite 26
Innere Zerrissenheit
das Dilemma unserer Zeit
D
er Deutsche Idealismus befasste sich mit
der Zerrissenheit des Menschen und der
Welthalten.
Für Heinrich Heine war die eigene Zerrissenheit
ein Symbol für die Situation der Zeit.
Wilhelm Heinse brachte die Selbstzweifel des
Menschen in der Frage zum Ausdruck: „Was ist
der Mensch? Ein Punkt, zersetzt und zerrissen
vom Schicksal auf allen Seiten.“
Gothe parodierte etwas später in seinem „Triumph
der Emp昀椀ndsamkeit“ die Zerrissenheit, obwohl er
selbst um sein eigenes, „zerstreutes, ich will nicht
sagen zerrissenes Wesen“ wusste.
Zerrissenheit,
den Zwiespalt des Individuums,
eine Bedrängnis der Seele,
ein innerer Kon昀氀ikt
zwischen
Wünschen und Wirklichkeit.
Friedrich Maximilian Klinger, stellte die Zerrissenheit des Menschen in dem Trauerspiel „Das leidende Weib“ dar. „Ich bin zerrissen in mir und kann
die Fäden nicht wieder auf昀椀nden, das Leben anzuknüpfen!“
Friedrich Schlegel: „Trostlos steht die Lücke vor
uns: der Mensch ist zerrissen, die Kunst und das
Leben sind getrennt.“
Die Romantiker (der kulturgeschichtlichen Epoche, Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19.
Jahrhundert) erhofften die Befreiung der Zerrissenheit in einen neuen paradiesischen Zustand der
Zukunft, in dem das Getrennte sich wieder vereinigen müsse.
Gewalterfahrungen können tiefgreifende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben und
zu innerer Zerrissenheit führen. Menschen, die Gewalt erfahren haben, fühlen sich häu昀椀g schuldig
oder geben sich selbst die Schuld an der Gewalt, auch wenn sie keine Schuld trifft. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle und Gedanken zu verarbeiten und sich sicher und geborgen zu fühlen. Die
innere Zerrissenheit kann sich in Form von Depressionen, Angstzuständen, Selbstzweifeln und anderen emotionalen Problemen äußern.
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